Bannerlord ist berüchtigt für seine langen und undurchsichtigen Entwicklungszyklen. Aber man muss Taleworlds eines lassen, denn an Ambition mangelt es ihren kostenpflichtigen Erweiterungen wirklich nie. Jede fühlte sich bislang wie ein eigenes Spiel an, und immerhin müsst ihr auch diesmal nur im Spiel selbst Gold für euer Pferde Rüstungsset ausgeben. Mit War Sails kommt nun endlich alles rund um Seeschlachten, Piraterie und nautisches Chaos ins Spiel. Hier gibt’s unsere Bannerlord: War Sails Rezension.
Was ihr wahrscheinlich als Erstes wissen wollt: Bannerlord ist schon auf dem Land manchmal recht unbeholfen, und jetzt sollen auch noch Schiffe dazukommen? Ihr wollt die ohnehin schon chaotische Kampf KI in extrem engen Räumen agieren lassen? Mit Artillerie? Und Kollisionsphysik? Während die Schiffe ständig auf einer ruppigen See auf und ab wippen? Mit Wind?
Ihr wollt, dass diese Leute versuchen, andere Schiffe zu entern, während alles schwankt, sie Enterhaken werfen und über dünne Seile balancieren, während die Gegenseite versucht, diese zu durchtrennen? Haben die Entwickler endgültig den Verstand verloren?
Nun ja… Probleme gibt es schon. Die KI ist erstaunlich unfähig im Umgang mit schiffsmontierter Artillerie. Schiffe lösen sich kaum aus Kämpfen, sobald sie ihr erstes Ziel gewählt haben. Und immer wieder schweben Leichen, manchmal lebende Soldaten und gelegentlich sogar ganze Schiffe ein paar Meter über der Wasseroberfläche. Ein Anblick, der gleichzeitig lustig und absolut katastrophal wirkt.
Bannerlord ist wirklich der Citizen Kane des Eurojanks
Ja, War Sails ist eine Erweiterung voller Glitches. Aber Bannerlord selbst ist ein Spiel voller Glitches. Alles, was hier passiert, liegt vollkommen im Rahmen dessen, was wir im liebgewonnenen Genre des Eurojanks erwarten. Und Bannerlord ist darin nun einmal der Citizen Kane: das unangefochtene Meisterwerk des charmanten Chaos. Wenn euch Belagerungen bisher also nicht aus dem Spiel getrieben haben, dann werdet ihr auch mit War Sails bestens zurechtkommen.
Tatsächlich hat mich War Sails in vielerlei Hinsicht sogar positiv überrascht. Die Kämpfe funktionieren erstaunlich gut, die Schiffe und ihre Besatzungen reagieren meistens zuverlässig, und es gab erstaunlich wenige Situationen, in denen irgendetwas hängen blieb oder ein Neustart notwendig war.
Zugegeben, ein Teil dieses Eindrucks entsteht wohl aus meinen sehr vorsichtigen Erwartungen. Man rechnet einfach damit, dass alles auseinanderfällt. Aber was die eigentliche Integration von Segeln, Navigation und Seeschlachten angeht, ist War Sails ein überraschend klarer Erfolg.
Die seltsamen Designentscheidungen von War Sails
So beeindruckend War Sails in vielen Momenten auch ist, einige Designentscheidungen verhindern, dass das Add-on wirklich sein volles Potenzial entfaltet. Die Weltkarte wurde zwar überarbeitet, um Schiffe einzuführen, aber nur sehr halbherzig. Einige Flüsse sind nur teilweise befahrbar, andere gar nicht. Manche Städte liegen sogar direkt am Wasser, haben aber keinerlei Hafen.

Dazu kommt, dass Schiffe sich kaum in ihren Fähigkeiten unterscheiden. Historisch wendige, leichte Boote wie Langschiffe haben keinerlei Vorteile gegenüber großen Kriegs- oder Handelsschiffen. Und schneller reist ihr übers Meer auch nicht wirklich.
Am frustrierendsten ist jedoch, dass es keine zusätzliche Rollenverteilung wie Späher oder Quartiermeister für die Seefahrt gibt. Alles hängt ausschließlich von euch ab. Der wichtigste Skill ist der Schiffmeister, und allein um vier Schiffe statt drei starten zu dürfen, müsst ihr den Wert auf absurde 225 steigern. Wie levelt man das? Indem ihr stumpf über die Kampagnenkarte schippert. Es gibt buchstäblich keinen anderen Weg.
Das führt dazu, dass Schiffe technisch gut umgesetzt sind, die Marine im Genrevergleich (ob Civilization, Europa Universalis oder Age of Empires) eine bekannte Rolle. Sie kann Spaß machen, aber sie lässt sich ebenso gut komplett ignorieren. Min-Maxer können also beruhigt weiterziehen.
War Sails als echtes „Bannerlord 2.0“
Jetzt einmal das Gute. Wer neu in Mount & Blade II: Bannerlord einsteigt, könnte kaum einen besseren Zeitpunkt erwischen. Denn mit War Sails wird das gesamte Spielgefühl einmal durchgeschüttelt und neu sortiert. Die Erweiterung wirkt nicht unbedingt wie ein Add-on, sondern mehr wie ein großer Neustart. Eine Art Bannerlord 2.0, das alte Spielstände löscht, die Map neu zeichnet und Calradia spürbar erweitert.
Der neue, nordisch angehauchte Kontinent im hohen Norden verändert die Dynamik der politischen Landschaft massiv. Wo früher die Sturgier als einziges „Viking-ähnliches“ Volk galten, mussten sie nun weiter nach Osten weichen, damit die neuen Nords freie Seewege haben. Und natürlich können so neue Fehden mit Battania und Vlandia beginnen. Ganze Küstenlinien wurden verschoben, Flüsse erweitert und Meere um „2,62-mal mehr Wasserfläche“ ergänzt. Für euch bedeutet das längere Reisen, neue Handelsrouten und deutlich mehr strategische Tiefe.
Auch wirtschaftlich hat War Sails kräftig umgebaut. Städte wie Ostican oder Chaikand wurden bewusst in Küstennähe gesetzt, um als maritime Handelszentren zu funktionieren. Jedes Hafenviertel ist frei begehbar, mit eigenen Werften, NPCs und detailreichen Modellen der nationalen Schiffe im Bau. Ein wunderbares Detail, das Bannerlords Welt noch lebendiger macht.
Und doch, trotz all dieser gewaltigen Veränderungen bleibt Calradia vertraut. Ihr werdet sofort merken, wie geschickt TaleWorlds das Alte mit dem Neuen verwebt hat. Das Ergebnis ist eine Welt, die sich größer, atmender und taktisch deutlich spannender anfühlt, ohne euch zu überfordern.
Wie War Sails das Sandbox Gameplay neu erfindet

Mit War Sails verändert sich nicht nur die Map von Calradia, sondern auch der gesamte Sandbox Rhythmus, den ihr aus Bannerlord kennt, bekommt eine völlig neue Dynamik. Wo früher Armeen vor allem auf Straßen und über Bergpässe marschierten, entstehen jetzt völlig neue Bewegungsmuster. Küsten werden zu taktischen Hotspots, Flüsse zu Lebensadern, und Meere zu Abkürzungen oder zu Fallen, je nachdem, wie ihr sie nutzt.
Die KI Fraktionen greifen diese neuen Wege überraschend gut auf. In mehreren Kampagnen sah ich, wie ganze Heere plötzlich die See nutzten, um direkt hinter feindlichen Linien zu landen oder blockierte Handelsrouten zu umgehen. Belagerungen bleiben weiterhin das Herzstück von Bannerlord, aber durch die Schiffe entstehen neue Vorstufen.
Häfen blockieren, Verstärkungen auf dem Wasser abfangen, feindliche Truppen schon vor der Küste dezimieren. Es fühlt sich an, als würde jede Fraktion ein zusätzliches Tool bekommen, und ihr könnt nun entscheiden, wie meisterhaft ihr es einsetzt.
Besonders spannend ist, wie War Sails das Tempo der Spielwelt verändert. Manche Regionen wirken jetzt weiter voneinander entfernt, was Handelskarawanen riskanter, aber profitabler macht. Andere Gebiete sind durch Wasserwege plötzlich näher zusammengerückt. Das bedeutet, dass es mehr Konflikte, mehr Handelschancen, mehr unvorhersehbare Begegnungen gibt.
Auch die neuen Fraktionen wie die Nords bringen frischen Wind ins Machtgefüge. Ihre Präsenz auf See zwingt euch, früher oder später in die maritime Kriegsführung einzusteigen… ob ihr wollt oder nicht. Doch War Sails erweitert Bannerlord nicht nur, es belebt Bannerlord und lässt Calradia so aktiv und unberechenbar wirken wie nie zuvor.
War Sails hat eine Zukunft, nur vielleicht nicht von Taleworlds selbst
Hier zeigt sich auch eines der Probleme von Bannerlords riesigen, aber seltenen Erweiterungen. Würde War Sails zu einem Spiel gehören, das in kurzen Entwicklungszyklen regelmäßig neuen Content bekommt, könnte man sagen, es sei ein guter erster Schritt in Richtung Seeschlachten. Und man würde auch gespannt darauf warten, wie das System weiter ausgebaut wird.
Bei Taleworlds jedoch… nun ja. Die Vergangenheit zeigt, dass wir sehr wahrscheinlich lange mit genau diesem Zustand leben müssen. Was wir bekommen haben, ist vermutlich das, was wir behalten.
Heißt das also: Finger weg? Nicht unbedingt.
Denn auch wenn War Sails sich stellenweise etwas geschmacklos oder unvollständig anfühlt, ist genau das ein Bereich, in dem Taleworlds traditionell nicht glänzt. Dafür in der Modding Community umso mehr. Schon jetzt wurden einige der kleineren Probleme, die ich in diesem Test erwähnt habe, von Moddern behoben. Und War Sails funktioniert zudem wunderbar mit bestehenden Pflichtmods wie Diplomacy.
Daher gilt: Wenn ihr Bannerlord neues Leben einhauchen wollt oder ohnehin regelmäßig spielt, dann ist War Sails definitiv eine lohnende Investition. Selbst wenn die spannendsten Verbesserungen wahrscheinlich erst durch die Community kommen werden.
| Vorteile | Nachteile |
| Endlich echte Seeschlachten und Piraterie in Bannerlord | KI hat große Probleme mit Schiffsgeschützen |
| Gelungene technische Integration trotz „Eurojank” Ruf | Weltkarte und Navigationswege sind schlecht durchdacht |
| Solide Basis, die Modder stark erweitern können | Schiffsmeister Skill zwangsläufiges Grind Element |
Plattform(en): PC (Steam, Epic Games Store, GOG)
Entwickler: TaleWorlds Entertainment
Publisher: TaleWorlds Entertainment
Veröffentlichungsdatum: 26. November 2025
