Es gibt JRPG-Fans, für die der Name Trails in the Sky etwas Besonderes darstellt. Auch wenn das Spiel kein Blockbuster war, hat es sich doch zu einem Kultklassiker entwickelt, der unsere Herzen auf ganz altmodische Art und Weise gewann: mit spektakulärem World-Building, Charakteren, die wir gerne als Freunde hätten, und einer sorgfältig erzählten Geschichte. Das originale Spiel startete ruhig und wurde im Laufe der Zeit episch. Wir mussten uns mit Estelle und Joshua Bright auf gleich zwei Rookie-Abenteuer einlassen und sie dabei verfolgen, wie sie die ersten Schritte in eine große Welt unternahmen.
Die Ankündigung eines von Grund auf neu entwickelten Remakes von Trails in the Sky 1st Chapter hat bei mir Aufregung und Sorge gleichermaßen ausgelöst. Besonders groß war die Vorfreude im Hinblick auf die Umsetzung der Welt von Liberl mit modernen Grafiken. Doch die entscheidende Frage ist: Kann das Remake die Magie des Originals einfangen?
Nachdem ich das 2025er-Remake ausgiebig gespielt habe, kann ich feststellen, dass meine Antwort ein eindeutiges „Ja“ist. Das Game ist eine massiver Erfolg, sowohl bei Kritikern als auch kommerziell. Das zeigt sich auch daran, dass es sich um eines der bestbewerteten Spiele von 2025 auf Metacritic handelt. Es ist nicht schwer zu verstehen, warum das so ist.
Die Geschichte, in die wir uns im Original verliebt haben, ist geblieben: Zwei Junior-Bracer (so etwas wie freiberufliche Helden) reisen durch ihre Heimatwelt, gewissermaßen auf einer Ausbildungsreise und auf der Reise entsteht eine nationale Verschwörung. Der große Unterschied ist, dass es dieses Mal ein riesiges Budget gab mit dem klaren Ziel, einen neuen Startpunkt für die Trails-Saga zu schaffen.
Ich habe das Original geliebt und deswegen stelle ich mir die folgende Frage: Haben die Designer es geschafft, das Spiel nicht nur schöner und zugänglicher zu machen, sondern auch Herz und Seele, die es zu einem Klassiker gemacht haben, in das Remake zu überführen? Lasst uns zur Beantwortung dieser Frage in das Spiel eintauchen!
Testbericht zu Trails in the Sky 1st Chapter

Gleich zu Beginn wird euch auffallen, dass Trails in the Sky 1st Chapter einen atemberaubenden Look hat. Der Schritt von den charmanten 2D-Sprites im Original zu einer modernen 3-D-Welt ist regelrecht überwältigend. Das Spiel ist auf der gleichen Engine entwickelt worden wie die neuesten Trails-Spiele. Definitiv ist das die schönste Optik, die es je in der Serie gab. Die Charaktere wirken lebendig und sehr ausdrucksstark. Beliebte Locations wie Rolent und Ruan könnt ihr mit einer frei beweglichen Kamera vollständig erleben. Das Ganze ist ein wahr gewordener Traum.
Der Wegfall der Ladebildschirme zwischen den Verbindungsstraßen Städten gefällt mir besonders gut. Dadurch fühlt sich die ganze Welt wie ein kompletter Ort zum Erkunden an.
Der Sound hat ebenfalls ein ordentliches Upgrade bekommen. Der klassische Soundtrack wurde auf bemerkenswert schöne Weise neu arrangiert (Ihr könnt allerdings zum Original wechseln, wenn ihr Puristen seid!). Dazu gibt es erstmals ein vollständiges Synchronsprecher-Aufgebot für die englischsprachige Version. Die Sprecher, die auch schon in späteren Spielen den Charakteren ihre Stimmen geliehen haben, haben fantastische Arbeit geleistet. Die Geschichte wird auch dadurch zum Leben erweckt. Nicht alles ist allerdings perfekt. Einige Szenen sind vertont, andere allerdings nicht. Das kann mitunter irritierend sein. Aber es ist schön, diese Charaktere überhaupt sprechen zu hören. Das ist ein echter Gewinn.
Das Gameplay birgt die größte Überraschung. Das langsame, rasterbasierte Kampfsystem im Originalspiel wurde durch ein schnelles Hybridsystem ersetzt. Für simple Kämpfe könnt ihr Monster jetzt in Echtzeit direkt auf der Karte verprügeln. Das spart enorm Zeit. Gegen Bosse und anspruchsvollere Gegner wechselt das Spiel hingegen in ein modernes rundenbasiertes System. Dabei werden Ideen aus der populären Reihe Trails of Cold Steel aufgegriffen. Für einen neuen Spieler ist das eine tolle Verbesserung, die dazu führt, dass das Spiel viel weniger grindlastig ist als im Original.
Als Kenner des Originals habe ich allerdings etwas gemischte Gefühle. Ich war ein großer Fan der schachartigen Taktik des Originalspiels. Das neue Spielsystem ist unterhaltsam und beeindruckend, opfert aber auch etwas von der strategischen Tiefe zugunsten einer höheren Geschwindigkeit. Der Kompromiss ist durchaus vertretbar und nachvollziehbar, ändert aber definitiv das Spielgefühl.
Glücklicherweise wurde das beste und zugleich einzigartige System des Originalspiels beibehalten: das Orbment-System. In Trails wird man magische Kräfte nicht durch Aufleveln, sondern indem man kristallartige Edelsteine, sogenannte „Quartz“, in ein Gerät einsetzt. Die Kombination der Edelsteine schaltet den Zauber frei. Es handelt sich um ein Logikpuzzle, das die Anpassung des Charakters erstaunlich tief und lohnend gestaltet. Im Remake gibt es viele kluge Änderungen, aber die Entscheidung, dieses exzellente System beizubehalten, war die beste. Das Orbment-System ist das strategische Herz des Spiels und ich freue mich außerordentlich, dass es beibehalten wurde.
Die Trails in the Sky Story

Für uns alte Hasen wird an dieser Stelle die Geschichte kompliziert. Die ursprüngliche Version von Trails in the Sky ist berühmt für die außergewöhnliche Gestaltung durch XSEED Games. Das ganze Skript war voller Humor und Persönlichkeit. Die Charaktere, insbesondere die Helden Estelle, hatten dadurch einen ganz besonderen Ausdruck. Um den Geist der originalen Geschichte zu kreieren, wurden einige kreative Freiheiten im Vergleich zum japanischen Originaltext gewagt. Für uns alte Spieler ist diese kreativ gestaltete Interpretation das Skript des Spiels.
Im 2025er-Remakes gibt es allerdings ein ganz neues Skript von einem neuen Publisher. Der Ansatz ist anders. Die Story basiert auf einer wortgetreuen Übersetzung des japanischen Originaltextes. Das Ziel ist es, Konsistenz und Genauigkeit mit dem Rest der mittlerweile sehr umfangreichen Serie zu gewährleisten.
Für sich genommen ist das neue Skript völlig in Ordnung. Aber für Spieler des Originals ist der Unterschied doch sehr deutlich. Ein großer Teil des ursprünglichen Charmes und Humors geht leider verloren. Es gibt etwa eine bekannte frühe Szene, in der Estelles Vater einen mysteriösen Jungen mit dem Namen Joshua mit nach Hause bringt und diesen als “Geschenk“ bezeichnet. Im Original antwortet Estelle mit dem lustigen und charaktertypischen Satz: „Why is my present a BOY“? (Warum ist mein Geschenk ein JUNGE?). Im Remake wurde der Satz zu „Who is this boy?“ gemacht. Das entspricht der wörtlichen Übersetzung, aber die Essenz des originalen Spiels geht verloren.
Das mag nach einer Kleinigkeit klingen, aber der Unterschied in dieser speziellen Szene zeigt den Kontrast perfekt. Das neue Skript ist genauer, aber das alte Skript hatte deutlich mehr Punch. Gewissermaßen fühlt es sich so an, als träfe man einen alten Freund wieder, der im Laufe der Zeit etwas ernsthafter geworden ist.
Im neuen Skript gibt es zudem erstaunlich viele Tippfehler und grammatikalische Fehler. Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass das Spiel am Ende unter Zeitdruck veröffentlicht wurde. Für neue Spieler mag dies weniger relevant sein. Aber Spieler des Originals, die teilweise die alten Dialoge auswendig aufsagen können, ist das die größte Schwäche des Remakes.
Ist dieses Remake von Trails in the Sky die definitive Version?
Nach allen geschilderten Erkenntnissen stellt sich die Frage, ob das Remake von Trails in the Sky die beste Version ist. Die Antwort hängt allerdings vollständig davon ab, zu welcher Kategorie Spieler ihr gehört.
Neueinsteiger
Für einen Spieler, der noch keine Erfahrung mit der Trails-Reihe hat und sich bislang sogar abschrecken ließ von den alten Grafiken und dem langsamen Gameplay, markiert das Remake den perfekten Einstiegszeitpunkt. Das atemberaubend schöne und moderne JRPG mit einer fantastischen Geschichte und liebenswerten Charakteren begeistert. Die alten Einstiegshürden wurden vollständig entfernt.
In einer Zeit, in der sich 90 % aller Spieler im vergangenen Jahr ein Remake gekauft haben, und 85 % dieser Spieler niemals das Original gespielt haben, sollte das Trails-Remake weit oben auf der Liste vieler Videospiel-Fans stehen.
Eine große Warnung: Trails in the Sky ist in der Gaming-Geschichte berühmt dafür, dass das Spiel mit einem der brutalsten Cliffhanger aller Zeiten endet. Nachdem ihr das Spiel abgeschlossen habt, werdet ihr verzweifelt wissen wollen, wie die Geschichte weitergeht. Das Problem ist allerdings, dass das Remake der Fortsetzung, Trails in the Sky SC, frühestens in einem Jahr erscheinen soll. Somit habt ihr gegebenenfalls die Option zu warten oder zur alten PC-Version der originalen Fortsetzung zu greifen. Das würde sich dann allerdings wie ein massiver Rückschritt anfühlen. Das ist eine unschöne Situation und zumindest derzeit vielleicht der größte Makel des Remakes.
Erfahrene Spieler
Für uns Spieler, die nach Liberl zurückkehren, ist das Remake ein Pflichtspiel. Die Erkundung der Welt und der Charaktere, die mit viel Liebe zum Detail und Sinn für Ästhetik zum Leben erweckt wurden, ist eine pure Freude. Das Spiel ist eine wunderschöne Reise in die Vergangenheit und eine schöne Möglichkeit, eine Geschichte neu zu erleben, die wir bereits lieben.
Allerdings ist das Remake kein vollständiger Ersatz für das Original. Das legendäre XSEED-Skript ist für viele von uns ikonisch und ein fester Bestandteil der Identität des Spiels. Die originale PC-Version hatte einen ganz besonderen Charakter und ermöglichte durch das rein strategische Gameplay eine ganz besondere Spielerfahrung.
Wenn ihr das Remakes als fantastisches Begleitwerk, vielleicht sogar als eine Art „Director’s Cut“ seht, seid ihr gut aufgestellt. Vielleicht handelt es sich sogar um das bessere Spiel mit einer modernen Politur und erstklassigen Quality-of-Life-Features. Das Original könnte aber dennoch die bessere Story bieten, insbesondere dank des legendären Skripts. Aber ganz egal, wie ihr die Sache am Ende bewertet. Es ist ein Privileg, zwei wunderbare Möglichkeiten zu haben, den Beginn eines der größten JRPG-Abenteuer zu erleben.
Pros | Cons |
Beeindruckende überholte Optik: Eine schöne und moderne Präsentation, mit der die klassische Welt auf ein nie zu vorgesehenes Niveau gehoben wird. | Skript hat an Charme verloren: Die neue Übersetzung ist zwar näher an der Vorlage, hat aber nicht die besonderen Eigenheiten und den Humor des originalen Spiels. Für Kenner des Originals kann das enttäuschend sein. |
Moderner, temporeicher Kampf: Das hybride Action-/Rundenkampfsystem macht Spaß, läuft flüssig und ist einfach zugänglich für Anfänger. | Der berüchtigte Cliffhanger: Für neue Spieler ist es ein unangenehmes Problem, dass der Cliffhanger erst mit dem Remake-Nachfolger in frühestens einem Jahr aufgelöst wird. |
Klassisches Orbment-System erhalten: Das tiefgehende und lohnende Logik-Puzzle der Charakteranpassung ist vollständig intakt. | Lücken in der Synchronisation: Nicht alle Szenen sind synchronisiert, sodass mitunter die Immersion und der Flow der Geschichte etwas leiden. |
Der perfekte Startpunkt: Eine unglaubliche Anzahl von Quality-of-Life-Verbesserungen machen dies zum idealen Einstieg für Spieler, die neu in die Serie einsteigen. | Neues Skript mit vielen Fehlern: Die neue Übersetzung hat zahlreiche Tipp- und Grammatikfehler. |