Der größte Wettskandal in der Geschichte des türkischen Fußballs erreicht eine neue Eskalationsstufe. Die Istanbuler Staatsanwaltschaft hat Haftbefehle gegen 46 Verdächtige erlassen. Bei einer umfangreichen Razzia wurden zudem 35 Personen festgenommen. Schon jetzt ist klar, dass der Skandal die Reputation des türkischen Fußballs auf Jahre hinaus schädigt.
Razzia im Morgengrauen: 46 Verdächtige und 35 Festnahmen
Der Wettskandal in der Türkei nimmt ein Ausmaß an, das selbst kritische Beobachter kaum für möglich gehalten hätten. Die Istanbuler Staatsanwaltschaft, die zuständig für die Ermittlungen ist, hat 46 Verdächtige benannt. Unter diesen 46 Verdächtigen sind 29 Fußballer. Von diesen 29 Fußballern stehen 27 Spieler unter dem Verdacht, auf Spiele der eigenen Mannschaft gewettet zu haben.
Aus guten Gründen ist es verboten, auf Spiele der eigenen Mannschaft zu tippen. Das ist ein klarer Verstoß gegen nationale und internationale Integritätsregeln. Die Ermittler sprechen von einem komplexen Geflecht aus Spielern, Schiedsrichtern, Vereinsfunktionären, Wettermittlern und Hintermännern. Auch die Süper Lig ist betroffen.
Top-Klubs direkt betroffen: Fenerbahçe- und Galatasaray-Profis im Fokus
Einige brisante Namen befinden sich auf der Liste der Staatsanwaltschaft. Unter den 46 Verdächtigen, gegen die Haftbefehl erlassen wurde, befinden sich auch einige Profis der Istanbuler Spitzenklubs Fenerbahçe und Galatasaray. Konkret handelt es sich um die folgenden Spieler:
- Mert Hakan Yandaş, Mittelfeldspieler von Fenerbahçe, soll Wetten über Dritte auf Spiele seines eigenen Teams platziert haben.
- Metehan Baltacı, Verteidiger von Galatasaray und früherer U-Nationalspieler, wird beschuldigt, direkt auf Partien seiner eigenen Mannschaft gewettet zu haben. Er wurde bereits zuvor für neun Monate gesperrt.
Auch einige Clubfunktionäre sind in das Visier der Staatsanwaltschaft geraten. Auf der Liste stehen der Vorsitzende von Ankaraspor, der Vizepräsident von Antalyaspor und ein früherer Präsident von Adana Demirspor. Schon im November wurde Eyüpspor-Präsident Murat Özkaya inhaftiert.
Es scheint keine Grenzen zu geben beim aktuellen türkischen Wettskandal. Das wird daran deutlich, dass der frühere Star-Schiedsrichter und TV-Experte Ahmet Çakar sowie der FIFA-Referee Zorbay Küçük ebenfalls zu den Verdächtigen gehören. Bei diesen beiden Akteuren werden auffällige finanzielle Transaktionen von der Staatsanwaltschaft als Grund angeführt.
Türkischer Fußball-Wettskandal offenbart betrügerisches System
Die Ausmaße des Wettskandals werden immer deutlicher. Der türkische Fußballverband (TFF) hat bekannt gegeben, dass 371 von 571 Schiedsrichtern Konten bei Buchmachern haben. Nachweisen lässt sich, dass 152 Schiedsrichter aktiv gewettet haben. Mittlerweile wurden 149 Schiedsrichter und Assistenten für bis zu zwölf Monate gesperrt. Faktisch ist damit die Karriere vieler dieser Schiedsrichter beendet.
Über 1.000 Spieler aus den Profiligen wurden für bis zu zwölf Monate suspendiert. Auch 25 Profis aus der Süper Lig befinden sich auf der Liste. Mittlerweile geht es um mehr als 3.700 Spieler, von denen 1.024 als Profis ihr Geld verdienen. Vielleicht sind nicht alle am Skandal beteiligt, aber allein die Zahlen zeigen schon, welche Dimensionen das Thema angenommen hat.
Die Ermittlungen reichen zurück bis in die Saison 2023/24. Daran wird deutlich, dass es sich um ein etabliertes System handelt, das wohl überwiegend in der dritten und vierten Liga umgesetzt wurde. Aber an den Verdächtigen aus der Süper Lig wird deutlich, dass auch die höchste Spielklasse im türkischen Fußball vom Wettskandal betroffen ist.
Wie die Ermittler arbeiten: Daten, Logs und Finanzströme
Die aktuellen Haftbefehle basieren auf Transaktionsdaten, die der staatliche Finanzermittler (MASAK) zusammengetragen hat. Dazu gibt es Daten aus Logdateien lizenzierter Wettanbieter und diverse andere Datenquellen, aus denen die Ermittler die Finanzströme rekonstruieren.
Bei der Untersuchung der möglicherweise manipulierten Spiele sind dabei die folgenden Themen besonders wichtig:
- Wettmuster mit ungewöhnlich hohem Volumen auf spezifische Spiele oder Spielereignisse
- Verknüpfungen zwischen Spieler- und Funktionärskonten sowie Konten Dritter
- Informationslecks aus Vereinen und Verbänden hin zu organisierten Wettnetzwerken
Zwischen Januar 2024 und Oktober 2025 stellten Ermittlungsbehörden in der Türkei im Rahmen des Wettskandals Vermögenswerte im Wert von 15,8 Milliarden Lira (320.000 Euro) sicher. Die tatsächliche wirtschaftliche Dimension dürfte allerdings wesentlich größer sein.
Rechtlicher Rahmen: Harte Strafen nach Gesetz Nr. 6222
Das türkische Gesetz Nummer Nr. 6222 ist die zentrale Basis für die aktuellen Ermittlungen. Demnach gelten die folgenden Vorgaben:
- Matchfixing und Manipulation von Sportergebnissen werden mit 1 bis 3 Jahren Haft und Geldstrafen von bis zu 20.000 Tagessätzen geahndet.
- Wird die Tat durch Funktionäre, Präsidenten oder im Rahmen einer kriminellen Organisation begangen oder hat sie Bezug zu betrügerischen Netzwerken, kann die Strafe auf bis zu 5 bis 12 Jahre Freiheitsentzug steigen.
- Im Sportrecht drohen zusätzlich lebenslange Sperren, Punktabzüge oder sogar Zwangsabstiege von Vereinen.
Dabei ist es wichtig zu verstehen, dass schon die Vereinbarung einer Manipulation strafbar sein kann. Es muss nicht zur Umsetzung kommen.
Folgen für Buchmacher, Sport und Sportwetten-Fans
Bemerkenswert ist, dass bislang kein Buchmacher ins Visier der Ermittler geraten ist. Das kann sich noch ändern, aber im Moment gibt es dafür keine Anzeichen. Klar ist allerdings, dass das Vertrauen in den türkischen Fußball auf den Nullpunkt gesunken ist. In Zukunft wird es für Buchmacher schwierig sein, ihre Kunden davon zu überzeugen, Wetten auf türkischen Fußball zu platzieren.
Auf der anderen Seite zeigen die aktuellen Ermittlungen, dass die Warnsysteme einigermaßen funktionieren. Immerhin wird der Skandal aufgedeckt und nicht vertuscht. Das ist ein klarer Fortschritt, der aber nur dann nachhaltig sein wird, wenn die Verantwortlichen hart bestraft werden und Maßnahmen umgesetzt werden, um einen ähnlichen Wettskandal in Zukunft zu vermeiden.
