Ein neues FIFA ohne EA wirkt zunächst wie ein Widerspruch. In etwa so wie Liverpool ohne Kloppo. Wie Argentinien ohne Messi. Oder wie der SC Freiburg ohne Christian Streich. Der Name ist zwar immer noch vertraut, aber alles, was ihn früher ausgemacht hat, steht plötzlich infrage. Genau dieses Experiment steht mit FIFA 2026 an, denn pünktlich zur Fußball-Weltmeisterschaft bringt Netflix ein neues FIFA-Spiel an den Start. Entwickelt von Delphi Interactive, veröffentlicht über Netflix Games und komplett losgelöst von EA Sports FC. Große Worte gibt es dazu bereits von der FIFA, jetzt muss das Spiel allerdings zeigen, ob es tatsächlich mehr ist als ein bekannter Name in neuem Gewand.
FIFA 2026: Ein Neustart mit bekanntem Namen

Mit dem neuen FIFA-Spiel versucht der Weltverband, sich nach der Trennung von EA Sports neu zu positionieren. Die langjährige Partnerschaft endete bereits 2023. EA führte daraufhin die Serie unter dem Namen EA Sports FC fort und sicherte sich große Teile der bisherigen Lizenzen. FIFA behielt zwar den Markennamen, stand aber erstmals ohne eigenes Spiel da.
Der Schritt zu Netflix ist nun der nächste strategische Schachzug der FIFA. Das neue Game ist keine direkte Antwort auf EA Sports FC, sondern ein eigenständiges Projekt mit anderem Anspruch und anderer Zielgruppe. Nach dem Flop von EA Sports FC 26, der zuletzt für deutlichen Unmut in der Community sorgte, ergibt sich für FIFA dadurch die Chance, den eigenen Namen neu zu positionieren und wieder positiv zu besetzen.
FIFA-Präsident Gianni Infantino spricht in der offiziellen Mitteilung von einer klaren Zäsur: „Diese bedeutende Kooperation ist ein wichtiger Meilenstein im Engagement der FIFA für Innovationen im Bereich der Fußballspiele.“
Wieder einmal große Worte, die den Anspruch des Milliardenkonzerns unterstreichen. Ob daraus mehr entsteht als ein Neustart auf dem Papier, wird sich allerdings erst zeigen, wenn das Spiel tatsächlich erscheint.
Fußball als Türöffner für Netflix Games
Für Netflix ist das neue FIFA-Spiel mehr als ein einzelnes Projekt, sondern der Versuch, die eigene Gaming-Sparte endlich aus der Nische zu holen. Die Spiele sind zwar seit einiger Zeit Teil des Abos, wirklich präsent sind sie für viele Nutzer aber bis heute nicht. Auch weil große Namen bislang fehlten.
Genau hier kommt FIFA ins Spiel. Fußball funktioniert weltweit, braucht keine Erklärung und passt auch ideal zu einem Mobile-first-Ansatz.
Netflix verfolgt dabei eine klare Strategie. Die Spiele sollen den wahrgenommenen Wert des Abos erhöhen, ohne dabei zusätzliche Kosten zu verursachen. Und FIFA soll das Zugpferd werden. Laut offizieller Netflix-Mitteilung zum neuen FIFA-Spiel will man den Sport „zu seinen Wurzeln zurückführen“ und direkt ins Wohnzimmer bringen.
Ob Netflix dafür tatsächlich die richtige Bühne ist, bleibt fraglich. Denn trotz solider Ansätze ist Netflix Games bisher kaum über den Status eines Nebenangebots hinausgekommen. FIFA soll das ändern. Der Anspruch ist da. Die Frage ist, ob ihm auch die Umsetzung folgt.

Mobile first, Wohnzimmer second
Der technische Fokus des neuen FIFA liegt klar auf Smartphones und Tablets. Gespielt wird über iOS und Android direkt in der Netflix-App, gesteuert per Touch auf dem Display. Zusätzlich soll das Spiel auch auf ausgewählten Smart-TVs laufen, das Smartphone wird dabei zum Controller. Netflix greift damit auf ein Modell zurück, das bereits bei anderen TV-Games wie LEGO Party! zum Einsatz kam.

Dieser Ansatz senkt die Einstiegshürde erheblich und benötigt keine Konsole, keinen Download und keinen Zusatzkauf. Gleichzeitig wirft er aber auch Fragen auf. Die Touchsteuerung und vereinfachte Bedienung machen das Game zugänglicher, lassen aber Zweifel an der spielerischen Tiefe aufkommen.
Auch Netflix selbst betont das „per Knopfdruck spielbare“ Erlebnis. Das deutet weniger auf eine umfangreiche Simulation als eher auf schnelle Partien für zwischendurch hin. Für Gelegenheitsspieler ist das mit Sicherheit attraktiv, für langjährige FIFA-Fans womöglich deutlich unter ihren Ansprüchen.
Ein riskanter Partner für die FIFA
Delphi Interactive ist ein vergleichsweise junges Studio. Es wurde 2020 in Beverly Hills gegründet und hat bislang noch keinen eigenen Titel veröffentlicht. Die Erfahrung mit einem fertigen Produkt fehlt also völlig. Derzeit arbeitet Delphi an 007: First Light in Zusammenarbeit mit IO Interactive, doch auch dieses Projekt ist noch nicht erschienen. Das neue FIFA ist demnach der erste große Auftritt unter voller Verantwortung.

Das wirft Fragen auf. Die FIFA ist keine kleine Marke, sondern ein globaler Name mit hohen Erwartungen. Ein junges Studio kann zwar ohne Altlasten frischer denken, gleichzeitig fehlt jedoch die Routine im Umgang mit komplexen Sportspielen und anspruchsvollen Gamern. Warum sich die FIFA ausgerechnet für diesen Partner entschieden hat, bleibt offen und wirft deshalb einmal mehr Fragen zur Geschäftspraxis auf.
Skepsis ist angebracht, Vorfreude aber auch
Die Ankündigung weckt große Erwartungen, lässt aber auffällig viele Details unbeantwortet. Gameplay-Szenen fehlen bislang ebenso wie konkrete Informationen zu Spielmodi, Lizenzen oder zur Frage der Monetarisierung.
Unklar ist auch, wie nah sich das neue FIFA an klassische Turnierstrukturen hält oder ob die Konzentration eher stärker auf kurzen, schnellen Partien liegt. Der Fokus auf den einfachen Spieleinstieg wirft die Frage auf, welchen Stellenwert die spielerische Tiefe haben wird.
Gleichzeitig wäre es verfrüht, das Projekt schon jetzt abzuschreiben. Große Sportereignisse leben von der Erwartung und die WM 2026 liefert dafür den passenden Rahmen. Noch überwiegt die Neugier. Am Ende wird nicht der Name entscheiden, sondern das Spiel selbst.
