Experten warnen vor einem wirtschaftlichen Paradoxon: Durch die aggressive Besteuerung über die Glücksspielsteuer verliert der deutsche Staat Spieler, Anbieter und Steuereinnahmen. Eine faire Debatte über eine Steuerreform im Glücksspielbereich ist dringend erforderlich, um den legalen Markt zu retten.
Ist die deutsche Glücksspielsteuer eine Fehlkonstruktion?
Auf der Konferenz „Gaming IN Germany” trafen sich kürzlich Experten, um über den deutschen Glücksspielmarkt zu diskutieren. Im Mittelpunkt stand dabei das Online-Glücksspiel. Ein wichtiges Thema war zudem die Glücksspielsteuer. Obwohl der Markt nach Einschätzung von Experten insgesamt wächst, sinken oder stagnieren in Deutschland die Steuereinnahmen, die mit der Glücksspielsteuer erzielt werden.
Die Glücksspielsteuer wird von jedem Einsatz erhoben. Wenn ein Spieler in Deutschland eine Runde an einem Spielautomaten spielt, wird von diesem Einsatz eine Steuer in Höhe von 5,3 % abgezogen. Der Betreiber muss diese Steuer an den Staat abführen. Bei jeder neuen Runde wiederholt sich dieser Vorgang, sodass insgesamt eine außergewöhnlich hohe Besteuerung stattfindet.
Damit die Casino-Betreiber die Glücksspielsteuer überhaupt bezahlen können, müssen die Auszahlungsquoten der Spielautomaten in Casinos mit deutscher Lizenz reduziert werden. Ein Slot, der in internationalen Casinos eine Auszahlungsquote von 96 % hat, wird in Deutschland oft nur mit einer Auszahlungsquote von 90 % oder sogar niedriger angeboten.
Die Leidtragenden sind die Spieler, die im Durchschnitt deutlich weniger in deutschen Online-Casinos gewinnen. Deswegen sollte es niemanden überraschen, dass viele Spieler das Problem erkennen und auf den Schwarzmarkt ausweichen, um von höheren Auszahlungsquoten zu profitieren.
Die entscheidende Erkenntnis an dieser Stelle: Die Glücksspielsteuer macht die virtuellen Automatenspiele, die in deutschen Online-Casinos angeboten werden, unattraktiv für Spieler.
Schwarzmarkt wächst schneller als legaler Markt
Über die Kanalisierungsrate in Deutschland, also den Anteil des legalen Marktes am Gesamtmarkt, wurde in den vergangenen Jahren immer wieder heftig debattiert. Maximilian Prien von DIW Econ nannte in einem Vortrag auf der „Gaming IN Germany” einen Schwarzmarktanteil von 55 % für das Jahr 2023. Im Jahr 2024 stieg der Schwarzmarktanteil auf 65 % an. Das ist ein deutlicher Sprung.
Gleichzeitig sind die Steuereinnahmen, die mit virtuellen Automatenspielen erzielt wurden, aber mehr oder weniger konstant geblieben. Der legale Markt ist somit nicht gewachsen, aber der Schwarzmarkt konnte den Anteil ausbauen. Das bedeutet, dass der Markt insgesamt größer geworden ist und nur der Schwarzmarkt profitieren konnte.
Angestrebt wird in Deutschland eine Kanalisierungsrate von mindestens 80 %. Vorbilder sind Länder wie Dänemark (89 %) und Großbritannien (95 %), die allerdings eine komplett andere Regulierung des Online-Glücksspielmarkts haben, jedenfalls bislang. In Dänemark und Großbritannien gibt es keine Glücksspielsteuer, die dazu führt, dass die legal angebotenen Spiele unattraktiver sind als die Spieler auf dem Schwarzmarkt.
Besteuerung des Spieleinsatzes als Grundproblem
In Deutschland hat man sich gegen den Rat vieler Experten 2021 für eine Besteuerung des Spieleinsatzes entschieden. Stattdessen wäre die Besteuerung des Bruttospielertrags sinnvoll. Der entscheidende Vorteil bei dieser Bemessungsgrundlage ist, dass die Anbieter die Spiele nicht unattraktiver machen müssen, aber trotzdem in angemessener Höhe Steuern bezahlen.
Rechnet man die derzeitige Glücksspielsteuer in Höhe von 5,3 %, die seit dem 1. Juli 2021 gilt, in eine Besteuerung des Bruttospielertrags um, landet man bei einer effektiven Belastung von etwa 52,5 %. Das ist eine abenteuerlich hohe Besteuerung, die es allen seriösen Glücksspielanbieter schwer macht, in Deutschland gewinnbringend zu arbeiten.
Zum Vergleich: In Österreich wird der Bruttospielertrag mit 5 % besteuert. In Dänemark liegt der Steuersatz bei 28 %. Das ist eine große Spanne, aber selbst Dänemark ist weit entfernt von deutschen Verhältnissen.
Abgesehen von den Casino-Betreibern hat niemand etwas dagegen, wenn Glücksspielanbieter ordentlich besteuert werden, vielleicht sogar höher als Unternehmen in anderen Branchen. Aber das entscheidende Problem ist, dass die Besteuerung nicht so angelegt sein darf, dass am Ende der Markt beeinträchtigt wird.
Einfache Lösung: Glücksspielsteuer reformieren?
In Deutschland gibt es selten einfache Lösungen, jedenfalls in der Umsetzung. Dabei läge die Lösung des Steuerproblems auf der Hand: Über eine Gesetzesänderung müsste die Bemessungsgrundlage der Glücksspielsteuer der Bruttospielertrag werden. Mit einem Steuersatz von maximal 30 % läge Deutschland im internationalen Vergleich immer noch im oberen Bereich, aber die Glücksspielanbieter auf dem legalen Markt hätten etwas Luft zum Atmen.
Die direkte Folge wäre, dass die Auszahlungsquoten der Spielautomaten erhöht werden könnten. Allein diese Maßnahme würde voraussichtlich dazu führen, dass zahlreiche Spieler in deutsche Online-Casinos zurückkehren. Da die Änderung der Besteuerung eine einfache und vernünftige Maßnahme wäre, ist davon auszugehen, dass sie in Deutschland in dieser Form nicht stattfinden wird.
Italien könnte als Beispiel dienen. In Italien wurde die Glücksspielregulierung in den vergangenen Jahren deutlich verändert. Die Regulierung wurde liberalisiert und modernisiert, um seriösen Anbietern eine faire Chance auf dem Markt zu geben. Das Resultat war, dass sich der Umsatz der legalen Anbieter innerhalb kurzer Zeit verdreifachte. Die Steuereinnahmen stiegen im gleichen Zeitraum um ungefähr zwei Drittel.
Hoffnung auf Evaluierung des Glücksspielstaatsvertrags
Im Jahr 2026 steht die Evaluierung des Glücksspielstaatsvertrags 2021 an. Allerdings ist die Glücksspielsteuer nicht im Glücksspielstaatsvertrag festgelegt, sondern in einem separaten Gesetz. Aber trotzdem wird es auch um die Frage gehen, wie der legale Markt gestärkt wird. Das Steuerthema muss an dieser Stelle diskutiert werden, wenn es darum geht, eine echte Lösung zu finden.
Deutschland hat mit dem Glücksspielstaatsvertrag 2021 gezeigt, dass es möglich ist, mit einer zu strengen Glücksspielregulierung den Schwarzmarkt zu stärken, das legale Glücksspiel zu schwächen und den Staat durch sinkende Steuereinnahmen zu schädigen. Das ist in gewisser Weise durchaus eine bemerkenswerte Leistung. Aber Spieler, Glücksspielanbieter und Branchenverbände hoffen, dass dieses Experiment mit der Evaluierung des Glücksspielstaatsvertrags im Jahr 2026 zumindest teilweise ein Ende findet.
