Die britische Glücksspielindustrie erlebte in dieser Woche einen historischen Schock, als Finanzministerin Rachel Reeves ihr Herbstbudget vorstellte. Auf die Glücksspielbranche kommen erhebliche Steuererhöhungen zu. Für Anbieter von Online-Casinos und Online-Sportwetten sind das schlechte Nachrichten. Die direkte Folge war ein massiver Sell-Off bei Glücksspielaktien von Unternehmen, die in Großbritannien große Marktanteile haben. Gefährdet sind aber nicht nur die Gewinne der Unternehmen, sondern auch Tausende Arbeitsplätze.
Neue Steuersätze bringen radikalen Wandel im Online-Glücksspiel
Es war klar, dass eine Steuererhöhung kommen würde. Doch mit einer Erhöhung der Remote Gaming Duty (RGD) von 21 % auf 40 % hatte niemand gerechnet. Dazu wurde auch noch die General Betting Duty für Sportwetten von 15 % auf 25 % angehoben. Diese Maßnahmen werden ab April 2026 und April 2027 umgesetzt. Bis dahin hat die britische Glücksspielbranche Zeit, sich auf die neuen Steuerregeln einzustellen. Doch das dürfte schwierig werden.
Erstaunlich ist, dass die Bingo-Steuer, die bei 10 % liegt, komplett abgeschafft wird. Darüber dürfte man sich bei dem größten Anbieter, die Rank Group, durchaus freuen. Eine logische Erklärung für die Abschaffung der Bingo-Steuer ist im Herbstbudget allerdings nicht zu finden. Insgesamt sollen die neuen Steuerregeln bis 2029/30 zusätzlich 1,1 Milliarden Pfund in die Staatskasse bringen. Ob das allerdings gelingt, hängt auch davon ab, wie der bestehende Online-Glücksspielmarkt die neuen Steuern verkraftet.
Glücksspielaktien im Sturzflug nach Ankündigung der Steuererhöhung
Evoke Holdings, der Betreiber von William Hill und 888, erlebte nach der Ankündigung der Steuererhöhung einen bemerkenswerten Sturzflug an den Börsen. In einem Tag ging der Aktienkurs um 18,3 % nach unten. In einer ersten Stellungnahme meldete der Glücksspielkonzern, dass sich die jährlichen Kosten wahrscheinlich um 125 bis 135 Millionen Pfund erhöhen werden. Schon im Fiskaljahr 2026 dürften 80 Millionen Pfund als zusätzliche Belastung in der Bilanz auftauchen.
Entain, vor allem als Eigentümer von Ladbrokes bekannt, geht von einem Gewinnrückgang zwischen 100 und 150 Millionen Pfund für die Jahre 2026 und 2027 aus. Die Aktie stürzte allerdings nicht ganz so stark ab wie beim Konkurrenten Evoke Holdings, wohl auch, weil Entain international stark aufgestellt ist. Aber in Großbritannien wird es auch für Entain in Zukunft schwierig, gute Geschäfte zu machen.
Flutter Entertainment, der weltweit größte Anbieter von Online-Sportwetten, wird nach Berenberg-Prognosen eine zusätzliche Steuerlast von etwa 500 Millionen Pfund bewältigen müssen. Der Aktienkurs ging innerhalb von zwei Tagen um fast 20 % nach unten.
Ähnlich dramatisch verlief der Aktienkurs von Playtech, allerdings nicht gleich am Tag der Ankündigung, sondern in den folgenden Tagen. Das ist durchaus bemerkenswert, denn Playtech ist international stark aufgestellt und keineswegs auf den britischen Markt beschränkt. Aber die wirtschaftlichen Folgen in Großbritannien sind nach Einschätzung der Aktienanalysten erheblich.
Glücksspielindustrie warnt vor Arbeitsplatzverlust und Schwarzmarkt
Stella David, CEO von Entain und Per Widerström, CEO von Evoke, gehörten zu den prominenten Vertretern der Glücksspielbranche, die sich äußerst negativ über die angekündigte Steuerreform äußerten. Für David sind die Steuererhöhungen „unverhältnismäßig“ und tragen dazu bei, dass ein erheblicher Nachteil gegenüber dem Schwarzmarkt entsteht. Wenn der legale Markt schrumpfe, würden in der Folge Arbeitsplätze gefährdet. Nicht zuletzt werde die Wirtschaftskraft der Glücksspielindustrie geschwächt.
Widerström kündigte an, dass die Investitionen in Großbritannien deutlich gekürzt würden. Das werde dazu führen, dass viele Arbeitsplätze, die mit der bestehenden Steuerregelung möglich wären, nicht geschaffen würden. Zudem sieht auch Widerström die Gefahr, dass zahlreiche Arbeitsplätze in der britischen Glücksspielindustrie abgebaut werden. Neben dem Online-Geschäft könnten auch die stationären Filialen schließen. Zudem müssten eventuell Marketingbudgets reduziert und das operative Geschäft teilweise ins Ausland verlagert werden.
Führt höhere Steuer zu größerem Schwarzmarkt in UK?
Durch die Steuererhöhungen lässt sich in den nächsten Jahren Großbritannien beobachten, ob ein zentrales Argument der Glücksspielbranche stimmt. Werden die höheren Steuererhöhungen am Ende tatsächlich dazu führen, dass der legale Markt schrumpft und der Schwarzmarkt wächst? Diese Argumentation hat durchaus eine innere Logik, denn höhere Kosten führen zu unattraktiveren Angeboten.
Der Schwarzmarkt, speziell im Internet, ist hingegen denkbar kosteneffektiv gestaltet. Die Anbieter sitzen in Jurisdiktionen, die sehr niedrige Steuersätze und günstige Arbeitskosten haben. Durch die Steuererhöhung in Großbritannien wird diese Problematik noch einmal deutlich verschärft. Grainne Hurst, CEO des Betting & Gaming Council, sprach in einer Stellungnahme sogar von einem „vernichtenden Schlag“ für Zehntausende Mitarbeiter und Millionen von Kunden in Großbritannien.
Ob am Ende alles nur Jammern auf hohem Niveau ist oder ob der Schwarzmarkt tatsächlich wächst, wird sich schnell zeigen. Fakt ist jedenfalls, dass die Glücksspielanbieter auf dem Schwarzmarkt die Steuererhöhungen in Großbritannien zum Anlass nehmen, ihre Angebote zu erweitern, um den britischen Glücksspiel-Fans in Zukunft noch attraktivere Alternativen zum legalen Markt anbieten zu können.
Höhere Steuereinnahmen und besserer Spielerschutz?
Wenn der legale Markt schrumpft, könnte es am Ende nicht einmal zu höheren Steuereinnahmen kommen. Zudem ist auch fraglich, ob der Spielerschutz tatsächlich verbessert wird. Wenn in Zukunft mehr Spieler den legalen Markt verlassen, weil das regulierte Angebot unattraktiver wird, könnte dies unter dem Strich den Spielerschutz sogar verschlechtern. Nach einer Studie, die von der UK Gambling Commission veröffentlicht wurde, haben etwa 2,7 % der britischen Erwachsenen problematische Spielgewohnheiten.
