Ich sage es ganz offen: Ich bin langsam müde. Müde von Maps, die mit Icons zugemüllt sind. Müde von Checklisten, die sich als Quests verkleiden. Müde von 100-Stunden-Epen, deren Geschichten sich anfühlen wie ein viel zu dünn gestrichenes Butterbrot. Klassische Open World Erschöpfung eben.
Als ich dann hörte, dass Mafia: The Old Country genau das Gegenteil verspricht, ohne Sandbox und ohne Überfrachtung, sondern eine geradlinige, filmische Erfahrung, war mein Interesse sofort geweckt. Für jemanden wie mich, der die Mafia-Reihe bisher nur vom Hörensagen kannte, schien das der perfekte Einstieg zu sein. Die große Frage lautet jedoch: Kann eine streng gescriptete Reise in das Sizilien der 1900er Jahre in einer Zeit bestehen, in der sich alles um Freiheit und riesige Spielwelten dreht?
Hangar 13 ist jedenfalls überzeugt davon. Und ihre Entscheidung wirkt wie eine direkte Antwort auf die eigene Seriengeschichte. Vieles, was ich über Mafia III gehört habe, deutet darauf hin, dass Fans und Kritiker das Spiel als aufgebläht und repetitiv empfanden. Weit entfernt vom erzählerischen Kern der Reihe. Ganz anders die Mafia: Definitive Edition von 2020, die für ihre klare, lineare Story gefeiert wurde. Es ist offensichtlich, dass Hangar 13 hier zugehört hat.
Denn kurz nachdem ein 53 Millionen Dollar Projekt vom Mutterkonzern Take-Two eingestellt wurde, kündigte Hangar 13 vor drei Jahren ein neues Mafia Spiel an. Und das Endergebnis fühlt sich tatsächlich so an, als hätte das Studio diese Zeit genutzt, um die Schwächen von Mafia III auszubügeln.
Mafia: The Old Country ist nicht nur ein Prequel. Es ist eine bewusste Rückbesinnung auf das, was die Serie stark gemacht hat. Eine Kurskorrektur, die klar zeigen soll: Das Herz von Mafia schlägt nicht in der Größe seiner Map, sondern in seiner Geschichte.
Mafia: The Old Country – Eine Postkarte aus dem Sizilien der 1900er

Das Erste, was euch an Mafia: The Old Country auffallen wird, ist, wie wunderschön das Spiel aussieht. Ich übertreibe echt nicht, denn das Spiel gehört zu den optisch beeindruckendsten Spielen, die ich je erlebt habe.
Mit der Unreal Engine 5 hat Hangar 13 ein Sizilien des frühen 20. Jahrhunderts erschaffen, das fast schon malerisch wirkt. Sonnendurchflutete Weinberge, staubige Landstraßen, schmutzige Schwefelminen und der bedrohliche Schatten des Ätna. Jede Szene könnte ein Gemälde sein. Die historische Detailverliebtheit ist beeindruckend: Gebäude, alte Karren, Kleidung, Werkzeuge… alles wirkt sorgfältig recherchiert und trägt zu diesem authentischen Gefühl von Zeit und Ort bei.
Doch diese Welt ist kein Spielplatz, sondern eher ein aufwändig gebautes Filmset. Das Spiel führt euch mit fester Hand durch diese wunderschönen Kulissen, nutzt die Umgebung als Bühne für seine Geschichte, statt euch frei herumstreifen zu lassen. Ihr reitet auf Pferden durch enge Gassen oder holpert in klapprigen Autos über Schotterwege. Das dient aber meist nur dazu, von Punkt A nach Punkt B zu gelangen.
Passend dazu könnt ihr viele dieser Wege sogar komplett überspringen, was deutlich zeigt: Der Fokus liegt auf den Story Momenten, nicht auf der Reise selbst.
Das erzeugt eine besondere Stimmung, da Hangar 13 eine Welt gebaut hat, die man am liebsten erforschen würde. Die lineare Story hält euch aber gut auf Kurs. Es fühlt sich ein bisschen an, als wärt ihr auf einer geführten Tour durch eine atemberaubende Stadt. Ihr seht viel Schönes, aber könnt selten stehen bleiben oder abbiegen. Einige finden deshalb, die Welt werde „nicht genug genutzt“, da es wie ein wunderschöner Käfig wirkt, den man bestaunen, aber kaum anfassen darf.
Für mich persönlich hat es jedoch funktioniert. Ich wollte keine weitere Open World mit Icons abarbeiten. Ich wollte eine Welt, die mich atmosphärisch packt. Und in Kombination mit der komplett sizilianischen Sprachausgabe schafft das Spiel genau das: ein Erlebnis, in das man sofort eintaucht und aus dem man nur schwer wieder herauskommt.
Die Ballade von Enzo Favara
Im Zentrum dieses filmreifen Erlebnisses steht die Geschichte von Enzo Favara. Das Spiel begleitet seinen Weg von einem Leben voller Zwangsarbeit in den höllischen Schwefelminen Siziliens über eine schicksalhafte Begegnung mit der Torrisi Familie bis hin zu seinem Aufstieg innerhalb des Clans. Es ist eine klassische Mafia Geschichte, die vom Wunsch angetrieben ist, der Armut zu entkommen und sich ein besseres Leben aufzubauen, egal wie hoch der Preis dafür ist.
Erzählt wird das Ganze wie ein großer Kinofilm. Die Zwischensequenzen sind kunstvoll inszeniert, das Schauspiel ist intensiv, und das Tempo sitzt, sodass sich die rund 10–15 Stunden Spielzeit wie ein nostalgischer Gangsterstreifen anfühlen. Die Figuren wachsen euch dabei schnell ans Herz und bleiben nicht bloß eindimensionale Archetypen.
Enzos Mentor Luca, der jähzornige Neffe Cesare oder Don Torrisis Tochter Isabella entwickeln im Laufe der Handlung überraschend viel Tiefe und Charakter. Genug, dass ihr wirklich mit ihnen mitfiebert.

Wenn die Geschichte eine Schwäche hat, dann die, dass sie fast zu klassisch ist. Wenn ihr Der Pate oder Goodfellas gesehen habt, werdet ihr viele Twists des Spiels schon erahnen, bevor sie passieren. Der weise Mentor, die verbotene Liebe, die unausweichlichen Loyalitätsbrüche. Alles ist dabei. Doch statt wie ein Mangel an Ideen wirkt es eher wie eine bewusste Entscheidung.
Nach den komplexeren, kontroverseren Themen von Mafia III scheint Hangar 13 diesmal auf Nummer sicher zu gehen und sich voll auf das zu konzentrieren, was das Genre seit Jahrzehnten trägt. Mafia: The Old Country will die Mafia Geschichte nicht neu erfinden. Es will sie perfektionieren. Und genau dadurch entsteht für neue Spielerinnen und Spieler ein idealer Einstiegspunkt: vertraut, klar, atmosphärisch dicht und vor allem erzählerisch stark.
Das Gameplay von Mafia: The Old Country
Auch wenn sich Mafia: The Old Country optisch wie ein Film anfühlt, bleibt das Gameplay eher durchschnittlich. Die Action besteht aus einer Mischung aus Schleichen, Deckungsgefechten und einem neuen Messer Kampfsystem. Aber keines dieser Elemente wirkt besonders tief oder innovativ.
Die Schießereien funktionieren solide. Ihr bekommt eine Auswahl historisch authentischer Waffen wie Revolver oder Schrotflinten, und das Deckungssystem erledigt seinen Job. Trotzdem wirkt das Gunplay für viele etwas altbacken und weniger wuchtig als die Kämpfe in Mafia III.

Die Gegner KI ist ebenfalls nicht die cleverste. Sie verfällt schnell in vorhersehbare Muster, sodass ihr sie problemlos austricksen könnt. Das Schleichen bleibt sehr simpel: Ihr könnt Gegenstände werfen, um Feinde abzulenken, oder stille Ausschaltungen durchführen. Aber wirklich komplex wird es nie, und Herausforderung kommt kaum auf.
Die größte Innovation ist das Messer Kampfsystem, das vor allem in Bosskämpfen zum Einsatz kommt. Diese Duelle sehen stylish aus, setzen auf Ausweichen und Parieren, aber nutzen sich schnell ab. Fast jeder Kampf folgt demselben Ablauf, wodurch das System auf Dauer etwas flach wirkt. Cool inszeniert, aber eher oberflächlich.
Man merkt dem Spiel an, dass das Gameplay in erster Linie dazu da ist, die Geschichte zu tragen. Es will euch nicht durch komplizierte Systeme aufhalten oder frustrieren. Die Schießereien geben euch ein Gefühl von Macht, das Schleichen ist leicht genug, um den Spielfluss nicht zu brechen, und die Messerduelle bringen zumindest optisch Dramatik. Es ist ein solides, unaufgeregtes Gameplay, das euch zuverlässig von einer filmreifen Szene zur nächsten führt.
Und genau das scheint die Absicht zu sein: Das Gameplay soll die Story unterstützen. Nichts wird also überschattet und auch nicht gestört.
Das Urteil für ein neues Familienmitglied
Sollte ein Anfänger das Angebot von Mafia: The Old Country annehmen? Für mich ist die Antwort ein deutliches Ja. In einer Spielelandschaft voller Titel, die hunderte Stunden verlangen und euch mit einer scheinbaren Freiheit überschütten, die sich oft leer anfühlt, war dieser geradlinige, stark erzählfokussierte Ansatz genau das, was ich gebraucht habe.
Perfekt ist das Spiel nicht. Das Gameplay ist solide, aber unspektakulär, und die Geschichte bedient sich vieler bekannter Motive. Wenn auch sehr gut erzählt. Doch die Stärken liegen klar auf der Hand. Die Welt, die Hangar 13 geschaffen hat, gehört zu den schönsten, die ich je besuchen durfte. Sie fühlt sich lebendig, authentisch und atmosphärisch dicht an.
Dazu kommt die klare Ausrichtung auf eine kompakte, filmische Story, die einfach angenehm erfrischend ist, gerade wenn ihr mal keine Lust auf endlose Listen und Sammelaufgaben habt.
Auch der niedrigere Preis wirkt fair für das, was ihr bekommt: ein hochwertiges Erlebnis von rund 12–15 Stunden, das eure Zeit respektiert und nicht versucht, euch künstlich festzuhalten. Mafia: The Old Country will kein Grand Theft Auto sein; es will Der Pate sein, und darin geht es weitgehend auf.
Wenn ihr also, wie ich, ein Spiel sucht, das Atmosphäre und Erzählung über Größe und Aktivitäten stellt, dann ist Mafia: The Old Country ein fantastischer und absolut empfehlenswerter Einstieg in diese klassische Reihe.
Willkommen in der Familie.
| Vorteile | Nachteile |
| Atemberaubend schönes und authentisches Setting | Gameplay Mechaniken sind brauchbar, aber eher durchschnittlich |
| Straff erzählte, filmische Story Präsentation | Erzählung folgt vorhersehbaren Genre Tropes |
| Starke Atmosphäre und gelungenes Worldbuilding | Die Welt wirkt wunderschön, aber untergenutzt |
| Eine fokussierte Alternative zu Open World Aufblähung | Wichtige Features wie Messerduelle werden schnell repetitiv |
Plattform(en): PC, PlayStation 5, Xbox Series X/S
Entwickler: Hangar 13
Publisher: 2K
Veröffentlichungsdatum: 8. August 2025
