Die Ankündigung von Ninja Gaiden 4 war echt der Hammer. Nach 13 Jahren Funkstille in der Hauptreihe, also über zwei ganze Konsolengenerationen hinweg, meldete sich die Serie endlich zurück. Der letzte Teil, Ninja Gaiden 3 aus dem Jahr 2012, hatte die Fanbase gespalten und viele langjährige Spieler enttäuscht zurückgelassen. Aus diesem Grund waren die Hoffnungen groß, dass dieser Nachfolger alles wieder gutmachen würde. Ein echter Befreiungsschlag.
Die Begeisterung explodierte endgültig, als klar wurde, wer hinter dem Projekt stand: eine Traumkooperation zwischen den ursprünglichen Serienmachern Team Ninja und den Stylish Action Experten von PlatinumGames. Schon dieser Zusammenschluss ließ vermuten, dass hier vielleicht eines der besten Actionspiele aller Zeiten entstehen könnte.
Xbox Game Studios steckte massiv Marketingkraft in das Projekt, präsentierte es auf großen Events und machte es direkt zum Day-One Release auf Game Pass. Gleichzeitig wurde ein Fan Favorite neu aufgelegt: Ninja Gaiden 2 Black, in einer modernen Engine, was die alten Fans endgültig in Vorfreude versetzte und die Messlatte für Ninja Gaiden 4 extrem hochlegte. Die Bühne war bereitet für ein großes Comeback.
Schon beim ersten Anspielen war klar: Ninja Gaiden 4 soll ein Neuanfang sein. Die wohl größte und meistdiskutierte Änderung war die Einführung eines neuen Hauptcharakters: Yakumo.
Der junge Ninja aus dem geheimnisvollen Raven Clan kämpft in einem verregneten, dystopischen Tokio. Ein klares Zeichen dafür, dass sich die Serie von ihrem legendären Helden Ryu Hayabusa löst, um Platz für eine neue Generation zu schaffen.
Ein Spiel für alle… und doch nicht ganz
Die Entwickler wollten mit Ninja Gaiden 4 ein Spiel schaffen, das wirklich alle anspricht. Für die Hardcore Fans, die die gnadenlose Schwierigkeit der alten Teile liebten, versprach das Spiel, die eigenen Fähigkeiten bis an die Grenzen zu treiben. Gleichzeitig sollte es aber auch Anfänger willkommen heißen, und zwar mit anpassbaren Schwierigkeitsgraden und neuen Barrierefreiheitsoptionen. Damit sollte die berüchtigt harte Serie endlich etwas zugänglicher werden, ohne ihren Biss zu verlieren.
Als Ninja Gaiden 4 am 21. Oktober 2025 für PC, PS5 und Xbox Series X/S erschien, waren die Reaktionen erstaunlich einheitlich. Die Wertungen lagen meist zwischen 80 und 85 Punkten, auf Steam gab es ein „Sehr positiv“ von den Spielern. Doch diese Zahlen erzählen nicht die ganze Geschichte. Denn fast alle waren sich einig: Ninja Gaiden 4 ist ein Spiel mit zwei völlig unterschiedlichen Seiten.
Das Kampfsystem wurde in den Himmel gelobt, und zu Recht. Es ist ein echtes Meisterwerk, das die Stärken beider Studios perfekt vereint: die Präzision und Härte von Team Ninja trifft auf den stilvollen, flüssigen Flow von PlatinumGames. Jeder Treffer, jede Ausweichbewegung, jeder Konter fühlt sich unglaublich befriedigend an.
Aber leider steckt dieses großartige Kampfsystem in einem eher langweiligen Drumherum. Die Story, die Charaktere, das Leveldesign und selbst die Spielwelt wurden von vielen als große Enttäuschung bezeichnet.
Diese unausgeglichene Qualität ist vermutlich genau das Resultat der Zusammenarbeit: Team Ninja und PlatinumGames sind Meister des Action Gameplays, aber beide sind bekannt dafür, dass sie bei Story und Weltenbau oft schwächeln. Anstatt sich gegenseitig auszugleichen, haben sie sich hier gegenseitig bestärkt. So entstand ein Spiel mit einem brillanten Kampfsystem, das jedoch von einem leeren, fast seelenlosen Rahmen umgeben ist. Ein echter „One-Trick-Pony“ Effekt.
Eine Symphonie aus Stahl bei einem (fast) perfekten Kampfsystem
Das Kampfsystem von Ninja Gaiden 4 ist ganz klar das Herzstück des Spiels und der Hauptgrund für das breite Lob. Es vereint die Stile der beiden Entwicklerstudios auf meisterhafte Weise und schafft ein System, das sich für alte Fans vertraut anfühlt, aber gleichzeitig frisch und aufregend wirkt.
Im Kern bleibt das Gameplay pures Ninja Gaiden: hart, schnell und präzise. Gegner sind schlau, aggressiv und gnadenlos. Ein einziger Fehler kann euer Ende bedeuten. Genau so muss es sich anfühlen. Wer die Serie kennt, weiß: Das hier ist kein Spaziergang, sondern ein Tanz auf Messers Schneide.
Darüber liegt der unverkennbare PlatinumGames Touch. Das Spiel ist spektakulär, voller wilder Kombos und übertriebener Action. Ganz im Stil von Bayonetta oder Metal Gear Rising. Klassiker wie der Izuna Drop feiern ihr Comeback, müssen diesmal aber freigeschaltet werden, was dem Fortschritt im Spiel eine motivierende Note verleiht. Das Ergebnis ist ein schnelles und visuell atemberaubendes System, das sowohl präzise Verteidigung als auch kreative Offensive belohnt. Eine nahezu perfekte Symbiose aus Team Ninjas Brutalität und Platinums Stilgefühl.
Der neue Protagonist Yakumo bringt dabei ordentlich Abwechslung ins Spiel. Ihm stehen vier Waffen zur Verfügung, darunter schnelle Doppelschwerter und ein Stab für Crowd Control, und jede besitzt ein tiefes Moveset mit eigenem Rhythmus. Das Spiel ermutigt euch, ständig zwischen den Waffen zu wechseln, wodurch ein dynamischer, stylisher Kampffluss entsteht, der nie langweilig wird.
Die größte Neuerung ist die „Bloodraven“ Mechanik. Haltet ihr den Trigger gedrückt, kann Yakumo in einen verstärkten Zustand übergehen und spezielle Angriffe entfesseln. Dabei verwandeln sich seine Waffen zeitweise in mächtigere Varianten. Zum Beispiel wird sein Rapier zu einem riesigen Bohrer, der gegnerische Wachen durchbricht.
Außerdem lassen sich diese Attacken nutzen, um starke Angriffe von Feinden zu unterbrechen und sie für Konter zu öffnen. Perfekt getimtes Risiko wird hier also stark belohnt. Das bringt eine neue taktische Tiefe in jeden Kampf und fordert euch, Gegner genau zu lesen und im richtigen Moment zuzuschlagen.
Trotz all dieser Neuerungen bleibt Ninja Gaiden 4 brutal schwer. Ganz so, wie es die Fans erwarten. Gegner sind clever, reagieren aggressiv und zwingen euch ständig in Bewegung zu bleiben. Jeder Kampf ist ein Adrenalinschub, ein echter Überlebenskampf. Gleichzeitig ist dies jedoch der zugänglichste Teil der Reihe.
Es gibt sogar eine breite Auswahl an Schwierigkeitsgraden, vom einsteigerfreundlichen „Hero“ Modus bis hin zur traditionellen „Master Ninja“ Herausforderung. So findet jeder den passenden Anspruch. Ihr könnt den Schwierigkeitsgrad sogar jederzeit im Spiel ändern, falls ihr bei einem Boss partout nicht weiterkommt.
Zusätzlich bietet das Spiel Hilfsfunktionen wie automatisches Blocken und Ausweichen, was perfekt für alle ist, die eher wegen des Stils und der Action als wegen des Schmerzes spielen wollen. Viele Neueinsteiger werden das lieben, während Hardcore Fans befürchten, dass die Möglichkeit, jederzeit den Schwierigkeitsgrad zu ändern, den Wiederspielwert etwas senken könnte. In früheren Teilen gab es schließlich auf höheren Stufen eigene Gegner Layouts, was ein Reiz war, der hier etwas verloren geht.
Eine langweilige Welt und eine schwache Story
So großartig das Kampfsystem auch ist, die Story von Ninja Gaiden 4 ist ein kompletter Reinfall. Fast alle sind sich einig: Die Geschichte ist der schwächste Teil des Spiels. Sie ist vorhersehbar, schlecht erzählt und schafft es kaum, euch emotional zu beeindrucken. Die rund 10-stündige Kampagne versucht zwar, große emotionale Momente zu inszenieren, doch sie verpuffen völlig, weil die Charaktere nie wirklich aufgebaut werden. Die Beziehungen zwischen Yakumo und seinen Gefährten wirken gehetzt und oberflächlich. Dadurch verlieren auch die großen Wendungen und Opfer jede Bedeutung.
Der Dialog ist stellenweise richtig peinlich, das Voice Acting bestenfalls mittelmäßig, und beides reißt euch regelmäßig aus der Stimmung. Noch schlimmer: Immer wieder wird die Action von langatmigen Laufsequenzen unterbrochen, in denen Figuren endlose Erklärungen von sich geben. Diese Passagen nehmen dem Spieltempo jede Energie, die es zuvor mühsam aufgebaut hat.
Ähnliche Kritik trifft auch auf die Spielwelt und das Leveldesign zu, die wie ein deutlicher Rückschritt für die Serie wirken. Während frühere Teile mit abwechslungsreichen, markanten Schauplätzen glänzten, ist die Welt von Ninja Gaiden 4 erschreckend eintönig. Der Großteil spielt in einer generischen, verfallenen Cyberpunk Stadt, deren dunkle, monotone Farbpalette schnell ermüdet. Diese fehlende visuelle Vielfalt lässt die Welt klein, leer und uninspiriert wirken.
Auch die Levelstruktur selbst enttäuscht: Meist kämpft ihr euch durch schlichte Arenen, verbunden durch gerade Gänge, in denen es kaum etwas zu entdecken gibt. Zwar versucht das Spiel, mit Rail-Grinding- oder Parkour-Abschnitten etwas Abwechslung zu schaffen, doch diese wirken halbfertig und bremsen den Spielfluss. Hinzu kommt eine repetitive Missionsstruktur, die euch immer wieder zu fast identischen Schreinen schickt, die „gereinigt“ werden müssen.
Für ein Character Action Spiel, das auf Wiederspielwert basiert, ist das ein echtes Problem. Der Reiz solcher Spiele liegt darin, das Kampfsystem über abwechslungsreiche, coole Levels zu meistern. Wenn diese jedoch langweilig und generisch sind, fehlt der Antrieb, zurückzukehren. Selbst das brillante Kampfsystem kann die Monotonie nicht ausgleichen, wenn ihr euch ständig durch dieselben tristen Korridore kämpfen müsst.
Fazit
Ninja Gaiden 4 ist die Definition eines unvollkommenen Meisterwerks. Ein Spiel mit atemberaubenden Höhen und enttäuschenden Tiefen. Das Kampfsystem, entstanden aus der Zusammenarbeit von Team Ninja und PlatinumGames, gehört zweifellos zu den besten, die es im modernen Action Gaming gibt: schnell, tiefgründig und unglaublich befriedigend. Wenn ihr vor allem wegen des Gameplays spielt, ist Ninja Gaiden 4 ein absolutes Pflichtprogramm.
Doch dieses perfekte Kampfsystem steckt in einem unfertigen und enttäuschenden Gesamtpaket. In fast allen anderen Bereichen versagt das Spiel: Die Story ist belanglos, der neue Protagonist etwas unsympathisch, die Welt wirkt leer, und das Leveldesign bleibt uninspiriert. Es fühlt sich an wie ein Hochleistungsmotor in einer leeren Karosserie. Technisch brillant also, aber ohne Seele.
Für alle, die ein rundes AAA Erlebnis mit starker Geschichte und Atmosphäre suchen, ist das hier schwer zu empfehlen. Für Hardcore Action Fans dagegen ist es ein Muss. Wer aber mehr will als nur großartige Kämpfe, könnte am Ende enttäuscht zurückbleiben.
| Vorteile | Nachteile |
| Phänomenales, erstklassiges Kampfsystem | Schwache, vorhersehbare Story und schlechtes Voice Acting |
| Tiefgehende, flüssige und stylishe Mechaniken mit hohem Anspruch | Repetitives und uninspiriertes Leveldesign |
| Großartige Mischung aus Team-Ninja- und PlatinumGames-Design | Austauschbarer und unsympathischer neuer Protagonist |
| Hervorragende Zugänglichkeitsoptionen für Neueinsteiger | Enttäuschende und recycelte Verwendung von Ryu Hayabusa |
| Visuell spektakuläre und blutige Action | Technische Probleme wie eine unzuverlässige Kamera und wenig Gegner Vielfalt |
Plattformen: PC, PS5, Xbox Series X/S
Entwickler: Team Ninja & PlatinumGames
Herausgeber: Xbox Game Studios
Erscheinungsdatum: 21. Oktober 2025
